Jetzt ist die Jugend dran!

Autor des Beitrags ist der bekannte Wirtschaftsphilosoph Anders Indset, der diesen Text für den Diskurs 33 – Jugend und Arbeit 4.0 verfasst hat. Der gesamte Artikel ist in dieser Ausgabe bzw. im Archiv zu finden.

Unsere Welt steht am Scheideweg und Corona verstärkt die lodernden Fragen wie ein überdimensionales Brennglas: Bewegen wir uns in Richtung totalitärer Regime, nationalistischer Isolation und Misstrauen oder gelingt uns ein solidarischer Neustart auf Basis eines technologiegetriebenen humanistischen Kapitalismus? Wir erleben aktuell ein epochales Ereignis, das evolutionäre Entwicklungen und Systemveränderungen beschleunigt – man könnte sogar sagen, wir erleben einen Festplattencrash ohne Back-up. Es wird weitergehen. Aber das Betriebssystem unserer Wirtschaft muss heute neu gedacht werden und sicherstellen, dass wir uns für zukünftige Ereignisse rüsten und gleichzeitig organisiertes menschliches Leben und eine funktionierende Gesellschaft sicherstellen. Heute werden überall HandlungsheldInnen gesucht. Ethische Debatten und System- und Gesetzesänderungen, die sonst Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern, werden per Eilverfahren über Nacht beschlossen. Es sind Zeiten mit einem zunehmenden Bedarf an radikaler Veränderung und eines Umgangs mit dem ökologischen Kollaps sowie dem Einzug eines digitalen Tsunamis. Dabei stehen wir erst am Anfang der technologischen Entwicklung. Natürlich dreht es sich um Technologie in Zukunft. Um Künstliche Intelligenz und Robotics, um AnalytikerInnen und Daten-ExpertInnen. Unterschiedliche noch zu definierenden Stellen im Bereich der Quantentechnologie. Fachkräfte für Pharma und Medizin. Technologie ist aber nicht das Alleinseligmachende.

„Technologie wird die Menschheit retten. Aber wer– oder was – rettet den Menschen an sich?“

Auf die Bildung und junge DenkerInnen kommt es an – oder anders gesagt:
Philosophiert Euch!

Unser Bildungssystem ist darauf ausgelegt, Informationen für eine finale Prüfung abzuspeichern. Erst dann fängt das Leben an. So funktioniert aber unser Leben nicht, sondern wir müssen ein Leben lang lernen. Eigentlich müssten wir schon im Kindergarten damit anfangen, uns mit philosophischen Fragen auseinanderzusetzen. Wir erleben die nahezu uneingeschränkte Verfügbarkeit von Informationen bei begrenzter Fähigkeit, diese zu reflektieren. Diese fatale Informationsgesellschaft müssen wir überwinden. Denn um die Welt zu
retten, müssen wir zunächst eine Weltverständlichkeit entwickeln, was wir alsMenschheit überhaupt wollen. Dies führt uns zur Philosophischen Kontemplation. Die Jugend muss es richten. Dabei können wir uns zwei Grundprinzipien unterordnen: Wenn einer spricht, hört der andere
zu – und alle Gedanken sind möglich. Über Glück, Gerechtigkeit, die Unendlichkeit und was Mensch und Realität ist. Darüber sollte die Jugend sprechen, Fragen entwickeln und philosophieren. Das Fundament der Sprache – Lesen, Schreiben und Sprechen – verbunden mit Neugierde auf die Welt, ihre mathematischen Strukturen und eine gewisse
Logik, gerne im Kantischen oder Hegelschen Sinne der Erkenntnistheorien. Ko-Kreation und Dialog, das Interesse an anderen Menschen. Dies sei die Bildung von morgen: diejungen Menschen dazu befähigen, nicht in
Zukunft „jeden” Job zu lernen und meistern, sondern jeden Job der Zukunft zu lernen und zu meistern und aktiv eine erstrebenswerte Zukunft gestalten.

Die Jobs der Zukunft: Kultur – Ingenieure

Und die Zukunft beginnt jetzt: Es geht heute um das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine und die Zukunft des organisierten menschlichen Lebens. Dies kann nur gelingen, wenn wir Kunst, Psychologie und Philosophie in den Mittelpunkt stellen. Bildet Europa und Österreich heute Kultur – Ingenieure aus, so werden sie die Grundlage sein nicht nur für zahlreiche neue Jobs, sondern für die Gestaltung der Zukunft und die Grundlage einer eigenen Richtung als Brückenbauer zwischen Ost und West, wo Vertrauen zum Exportschlager und eine neue Währung werden kann. Natürlich geht es um Technologie, was aber auch benötigt wird sind Menschen, die Menschen verstehen. Es sind merkwürdige Zeiten. Gleichzeitig sind es Zeiten der Opportunität. Den meisten Menschen ist nicht bewusst, welches Potential sie haben und dass sie selbst zu einem Gestalter des Wandels, zumindest des eigenen Wandels, werden können. Es ist niemandem bewusst, welchen unfassbaren Einfluss man auf die eigene Realität haben, kann und genau dieses Potential gilt es zu erwecken. Statt also um die klare Empfehlung für „den einen Job” geht es heute darum sich zu befähigen, Fortschritt aus der eigenen, einzigartigen Ausgangssituation zu erzielen. Gelingt uns dies, werden wir die Jobs finden.

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